Bei einer einfachen Buchhaltung wird grundsätzlich nach vereinnahmten Entgelt (also nach IST-Methode) abgerechnet.
Das heisst:
Buchungen werden erst und nur beim effektiven Geldfluss gemacht (was einer sogenannten „Offene-Posten-Buchhaltung“ entspricht).
Kurze Erklärung zum Konzept “zeitliche Abgrenzung” bzw. “aktive und passive Rechnungsabgrenzung”: In der doppelten Buchhaltung sind das die sogenannten “transitorischen Aktiven bzw. Passiven”. Einfach gesagt geht es dabei darum, dass eine Zahlung dem richtigen Geschäftsjahr zugeordnet wird (oder eben “zeitlich abgegrenzt” wird). In einer einfachen Buchhaltung gibt es das hingegen nicht, da eben nur der effektive Geldfluss relevant ist (= “vereinnahmte Abrechnung”).
Das Problem ist jetzt aber, dass in einigen Kantonen in der Steuererklärung nach den offenen Rechnungen / Debitoren (und eigentlich sogar auch den “angefangenen Arbeiten”, welche noch gar nicht in Rechnung gestellt wurden) gefragt wird, was aber dem Prinzip der “vereinnahmten Abrechnung” widerspricht.
Im Kanton Schaffhausen heisst das Feld z.B. “Kundenguthaben am Ende des Jahres”:
Im Kanton Zürich “Kundenguthaben und angefangene Arbeiten am Jahresende”:
Und im Kanton Bern “Kundenguthaben (Debitoren) am Ende des Jahres”:
Das Milchbüechli zeigt zwar problemlos die offenen Kundenguthaben an, es wäre als kein Problem das Feld mit offenen Kundenguthaben “korrekt” auszufüllen.
Aber:
Ich persönlich habe genau aus diesem Grund bewusst darauf geschaut, dass ich Ende Jahr keine offenen Kundenguthaben hatte. Und selbst wenn ich gehabt hätte, hätte ich diese nicht angegeben.
Denn es ist meiner Meinung nach eben schlicht falsch bzw. widersprüchlich, bei der vereinnahmten Abrechnung (Ist-Methode) offene Guthaben angeben und versteuern zu müssen. Das widerspricht wie gesagt der Definition von “vereinnahmt”.
Ausserdem müsste man dann im Jahr darauf wieder daran denken, diese bereits versteuerten Guthaben wieder abzuziehen (siehe in den Screenshots oben die Felder, in Schaffhausen z.B. heisst es “Abzüglich: Kundenguthaben am Anfang des Jahres”).
Es macht das Ganze also wieder unnötig komplizierter bzw. fehleranfällig (wenn man das ein Jahr später vergisst korrekt anzugeben, bezahlt man zu viel Steuern, weil gewisse Einnahmen doppelt besteuert werden).
Insbesondere wenn man die MWST-Abrechnung per Saldosteuersatz nach vereinnahmtem Entgelt macht, wird es noch schlimmer:
Dann hätte man den Fall, dass eine Einnahme steuertechnisch (also für die Steuererklärung) z.B. noch im 2022 versteuert werden muss, aber die MWST (nach vereinnahmten Entgelt) erst im 2023 relevant ist. Dann ist das Chaos komplett, wenn die Buchhaltung nicht einheitlich entweder vereinnahmt oder vereinbart geführt werden kann.
Auch wenn jetzt also in der Steuererklärung danach gefragt wird, ist es eigentlich auch gemäss OR nicht immer Pflicht, eine zeitliche Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben zu machen:
Sofern die Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen oder die Finanzerträge 100’000 Franken nicht überschreiten, kann auf die zeitliche Abgrenzung verzichtet und stattdessen auf Ausgaben und Einnahmen abgestellt werden.
Quelle: OR Art. 958b
Darum ist meine persönliche (natürlich unverbindliche) Einschätzung, offene Rechnungen per Ende Jahr generell versuchen zu vermeiden bzw. eben nicht in der Steuererklärung anzugeben (also alles konsequent sauber “vereinnahmt” zu führen, ohne zeitliche Abgrenzung).
Ein ähnliches Problem ist das Thema “Vermögenslage”, nach der in der Steuererklärung unter Umständen gefragt wird. Dieses Thema habe ich in diesem Artikel ausführlich erklärt (am Beispiel von einem Online Shop, aber das Prinzip ist für alle Arten von Einzelfirmen gleich).
Aber wie immer als wichtiger Hinweis:
- Ich gehe hier von einem Selbständigen / Einzelfirma aus, nicht von einer grösseren GmbH oder AG mit einer doppelten Buchhaltung.
- Ist das natürlich nur meine persönliche Meinung. Ich kann nur allgemeine Informationen und Tipps geben. Ich kann aber “von aussen” keine verbindliche Beratung oder Empfehlung geben oder die Entscheidung abnehmen. Das kann nur ein Treuhänder bzw. Steuerberater oder natürlich Sie selber. Das Milchbüechli ist letzten Endes nur ein Tool.
Aline meint
Hallo Michael
Danke für die Ausführungen zu den offenen Rechnungen Ende Jahr. Persönlich wäre es für mich besser, die offenen Rechnungen in meine Endjahresrechnung einzubeziehen, da es meine Einnahmen ansonsten jedes Jahr völlig verzieht.
Wie wie gebe ich diese offenen Rechnungen in meiner Milchbüechliabrechnung korrekt an? Oder kann man dies nur bei der Steuererklärung angeben?
Danke für deine Ausführung.
Aline
Michael Brütsch Milchbüechli.ch meint
Hallo Aline,
Im Milchbüechli kannst Du das nicht angeben. Du schaust einfach im Milchbüechli am Ende des Jahres, wie viele Einnahmen offen sind (das siehst Du unter “Auswertungen”). Und diesen Betrag gibst Du dann in der Steuererklärung an.
Beste Grüsse,
Michael
Benny Hozjan meint
Hi Michael,
Ich habe erst vor ein paar Tagen Dein «Milchbüechli» gefunden und war mehr als nur positiv überrascht. Bei einigen Deiner Ausführungen musste ich schmunzeln, weil ich mich darin einfach auch selbst gesehen habe. Dein Schreibstil ist zudem sehr fesselnd und äusserst informativ zum lesen. Danke dafür!!
Nun zu meinen Fragen betreffen Jahresabschluss:
1) Ich trage Einnahmen allle gleich ein und ergänze nach Zahlungseingang einfach das Datum unter “Zahlung erhalten”. Beim Erfassen lasse ich es leer für den Moment. Praktisch dabei ist, dass angezeigt wird «Ausstehend seit».
Wie ist das, wenn ich jetzt Anfang/Mitte Januar einen Abschluss mache. Werden Einnahmen die keinen Zahlungseingang haben direkt ins 2024 übernommen oder bleiben diese im 2023 und ich müsste sie manuell ändern?
2) Wann ist es sinnvoll seinen Jahresabschluss zu machen. Ende Dezember oder Januar oder sogar erst im Februar.
Danke – LG Benny
Michael Brütsch Milchbüechli.ch meint
Hallo Benny,
Vielen Dank für das Feedback, das freut mich natürlich sehr zu hören 🙂
Zu Deinen Fragen:
1) Offene Einnahmen werden automatisch ins neue Jahr übernommen, Du musst nichts machen und kannst es dann einfach ganz normal im neuen Jahr als “Zahlung erhalten” speichern.
2) Ich persönlich empfehle im Januar, sobald Du alle Buchungen vom vergangenen Jahr fertig erfasst hast. Und bevor Du die Buchungen vom neuen Jahr erfasst, wegen der Beleg-Nr. wie hier erklärt: https://milchbueechli.ch/automatische-beleg-nummerierung-milchbueechli/
Aber im Prinzip kannst Du Dir solange Zeit lassen, bis Du den Jahresabschluss dann für die private Steuererklärung brauchst.
Beste Grüsse,
Michael