Grundsätzlich ist es völlig irrelevant, ob Sie über einen Online Shop Produkte verkaufen oder als Freelancer eine Dienstleistung anbieten.
Die Buchführungspflicht ist lediglich von der Art der Firma (Einzelfirma oder GmbH/AG) und dem jährlichen Umsatz abhängig.
Das heisst:
Auch als Online Shop Betreiber dürfen Sie grundsätzlich eine einfache Buchhaltung führen.
Aber:
Ein generelles “Problem” mit der einfachen Buchhaltung ist, dass die Steuerverwaltung unter Umständen noch mehr sehen will, als nur die Einnahmen und Ausgaben. Und zwar eine Aufstellung über die Vermögenslage.
Diese Aufstellung der Vermögenslage wäre in einer doppelten Buchhaltung die Bilanz (also Aktiven/Passiven), was es im Milchbüechli bzw. grundsätzlich in einer einfachen Buchhaltung schlicht nicht gibt.
Für die meisten Selbständigen (Freelancer, Berater, Coaches, etc. – für die das Milchbüechli primär gemacht ist) ist die Vermögenslage simpel, da das lediglich der Bankkontoauszug ist.
Aber sobald es sich z.B. um ein Ladengeschäft, Handwerksbetrieb oder eben einen Online Shop handelt, wird es mit dem Vermögen/Aktiven komplizierter, weil Geräte/Maschinen, Werkzeuge, oder eben ein Inventar/Warenvorrat dazu kommt. Und da schaut die Steuerverwaltung dann unter Umständen genauer hin, insbesondere weil auch der Umsatz dann schnell höher ist, als bei einem Selbständigen, welcher häufig unter den 100’000.- Umsatz pro Jahr bleibt.
“Brauche ich tatsächlich eine Bilanz?”
Teilweise wird je nach Kanton in der Steuererklärung trotzdem nach der Bilanz gefragt, auch wenn eine einfache Buchhaltung gemacht wird. Wie z.B. im Kanton Zürich im Hilfsblatt A.
Ein Milchbüechli-Nutzer hat das einmal direkt bei der Steuerverwaltung in Zürich nachgefragt und folgende Antwort zur Frage bekommen, warum das denn im Hilfsblatt A drinsteht.
Und die Antwort war: „Weil man es nicht allen gerecht machen kann.“
Kurz gesagt: Nein, eine Bilanz scheint also keine zwingende Vorgabe, auch wenn es de facto so formuliert steht.
Ja, das ist etwas widersprüchlich zu den Vorgaben gemäss OR, vor allem weil die Vermögenslage (Warenvorrat etc.) eigentlich gar keinen direkten Einfluss auf den Gewinn und damit die geschuldeten Steuern hätte.
Wie Sie die Steuererklärung als Einzelfirma mit Online Shop ausfüllen
Das Vorgehen zum Ausfüllen der Steuererklärung ist grundsätzlich für alle Einzelfirmen gleich, und habe ich hier erklärt: Wie Sie die Steuererklärung als Einzelfirma ausfüllen
Auch wenn eine Bilanz also keine Pflicht ist, ist das Problem bei Online Shops, dass in der Steuererklärung nach dem Warenvorrat am Anfang bzw. Ende des Jahres gefragt wird.
Auch das widerspricht natürlich dem Prinzip der “vereinnahmten Abrechnung” der einfachen Buchhaltung.
Hier als Beispiel wie die Felder in der Steuererklärung im Kanton SH aussehen:

Hier in der Steuererklärung vom Kanton ZH:

Und hier noch in der Steuererklärung vom Kanton BE:

Ein simples Beispiel um zu verdeutlichen, was das genau bedeutet:
Im 2023 werden für 10’000.- Waren eingekauft, und davon 8000.- verkauft (natürlich entsprechend für mehr als 8000.-, was aber in dieser Rechnung nicht relevant ist). Sprich Ende 2023 ist noch ein Warenvorrat von 2000.- vorhanden.
In der Steuererklärung gibt man zwar den gesamten “Waren- und Materialaufwand” mit 10’000.- an, jedoch werden die 2000.- Warenvorrat wieder abgezogen (über das Feld “Abzüglich Waren- und Materialvorräte am Ende des Jahres”.
Das heisst, effektiv können nur 8000.- im 2023 als Ausgabe abgezogen werden.
Diese 2000.- werden dann in der Steuererklärung 2024 wieder relevant, wo sie als “Abzüglich: Waren- und Materialvorräte am Anfang des Jahres” abgezogen werden.
Das totale Resultat bleibt also natürlich über die Jahre genau gleich.
Aber ja, das widerspricht natürlich wie gesagt dem Prinzip der “vereinnahmten Abrechnung”.
Man könnte natürlich die Felder auch einfach leer lassen, muss dann aber natürlich mit Rückfragen von der Steuerverwaltung rechnen (was entsprechend natürlich keine verbindliche Empfehlung von mir ist).
Übrigens: Bei Freelancern die Dienstleistungen anbieten gibt es einen ähnlichen Spezialfall “Offene Kundenguthaben am Ende des Jahres” (was ich in diesem Artikel erklärt habe: Offene Rechnungen (Debitoren) Ende Jahr: Abgrenzen oder nicht (in einer einfachen Buchhaltung)?).
“Kann das Milchbüechli für eine Einzelfirma mit Online Shop genutzt werden?”
Ja, grundsätzlich können Sie natürlich auch ohne doppelte Buchhaltung eine Aufstellung über die Vermögenslage bzw. Inventar/Warenvorrat erstellen (z.B. eine simple Auflistung aller Waren in einer Excel-Datei am Ende des Jahres – entsprechende Vorlagen dürfte man mit Google sicher finden).
Und mit dieser können Sie dann die Felder “Abzüglich: Waren- und Materialvorräte am Anfang/Ende des Jahres” in der Steuererklärung entsprechend ausfüllen.
Wahrscheinlich ist die Lösung “Einfache Buchhaltung mit dem Milchbüechli + Inventarliste mit Excel Ende Jahr” immer noch einfacher als eine doppelte Buchhaltung, aber das darf natürlich jeder für sich selber entscheiden.
Aber ja, aus diesen Gründen ist das Milchbüechli also nicht unbedingt pauschal für alle Einzelfirmen mit Online Shop perfekt geeignet.
Tendenziell kann man aber natürlich davon ausgehen, dass ein Online Shop mit weniger als 100’000.- Umsatz auch viel seltener mit Rückfragen seitens der Steuerverwaltung rechnen muss, als ein Online Shop mit deutlich mehr als 100’000.- Umsatz.
Aber die Steuerverwaltung hat schlussendlich immer das letzte Wort (und eine Buchhaltung muss ja grundsätzlich auch zweckmässig entsprechend der Grösse des Unternehmens sein).
Die Steuerverwaltung kann Sie in gewissen Fällen also praktisch dazu zwingen, eine doppelte Buchhaltung mit Bilanz zu führen, obwohl Sie unter 500’000.- Umsatz sind.
Aber wie immer als wichtiger Hinweis:
- Ich gehe hier von einem Selbständigen / Einzelfirma aus, nicht von einer grösseren GmbH oder AG mit einer doppelten Buchhaltung.
- Ist das natürlich nur meine persönliche Meinung. Ich kann nur allgemeine Informationen und Tipps geben. Ich kann aber “von aussen” keine verbindliche Beratung oder Empfehlung geben oder die Entscheidung abnehmen. Das kann nur ein Treuhänder bzw. Steuerberater oder natürlich Sie selber. Das Milchbüechli ist letzten Endes nur ein Tool.
Hallo Michael,
Erstmal danke für die Seite, sie ist enorm hilfreich. Gerne möchte ich dir noch Fragen zur Häufigkeit der Einträge stellen.
Zum Kontext: meine Freundin macht demnächst einen Friseursalon auf. Zahlungsmethoden werden EC-Karte, Twint und Bar sein.
Für Bar ist das Kassenbuch ja notwendig – ich nehme an in die Milchbüechlirechnung muss dann tatsächlich jede einzelne Einnahme.
Wie sieht es bei Twint und bei EC-Karte aus? Beides wird ja auf den Kontoauszug kommen Ende Monat – muss in der Milchbüechlirechnung jede einzelne Transaktion mit Datum festgelegt werden, oder darf man das gesammelt machen, bspw. “Einnahmen EC-Karte März 2025 – CHF XXX.XX”? Oder müssen diese auch alles einzeln eingetragen werden, für jede einzelne Transaktion?
Vielen Dank dir!
Beste Grüsse,
Max
Hallo Max,
Ja, Du kannst sowohl das Ergebnis des Kassenbuchs (siehe hier: https://milchbueechli.ch/kassenbuch-fuehren/ ) als auch eben die TWINT / Kreditkarten / PayPal / EC Auszahlungen gesammelt einmal pro Monat buchen.
Beste Grüsse,
Michael
Guten Tag
Ich habe einen Onlineshop. Nun ist es so, ich verkaufe dementsprechend Artikel die ich ja selbst zuerst kaufen muss. (Dropshipping) Wie wird das dann gehandhabt? Also z.B. ein Artikel kostet für mich im Ankauf mit Versand 10Fr ich verkaufe Ihn für 20Fr. Muss ich dann zuerst die volle Einnahme verbuchen und dann nochmals einzeln zu jeder Bestellung die Ausgabe die ich damit hatte?
Grüsse Fabienne
Hallo Fabienne,
Du buchst immer nur den effektiven Geldfluss, siehe z.B. hier: https://milchbueechli.ch/milchbueechli-einnahmen-ausgaben-rechnung/
Das heisst im Prinzip: Wahrscheinlich wirst Du z.B. 100 Stück von einem Artikel kaufen, und entsprechend 1000.- als Ausgabe erfassen. Und dann beim Verkauf jeweils die 20.-.
Beste Grüsse,
Michael