Die Hauptfrage zur Buchführungspflicht ist doch die:
“Bin ich buchführungspflichtig? Muss ich eine Buchhaltung führen?”
Die schlechte Nachricht ist: Ja, sind Sie und müssen Sie leider (auch dann, wenn Sie nur nebenberuflich bzw. in Teilzeit selbständig sind).
Aber die gute Nachricht ist: Sie müssen deutlich weniger machen, als Sie bisher wahrscheinlich befürchtet haben.
Denn:
Selbständige & Einzelunternehmen in der Schweiz müssen keine doppelte Buchhaltung führen.
Die Frage müsste eher sein: “Wie sehr” buchführungspflichtig bin ich?
Und eine ebenso wichtige Frage ist:
“Bin ich MWST-pflichtig? Muss ich die Mehrwertsteuer in meiner Buchhaltung abrechnen?”
Diese Fragen beantworten wir nun:
Die 4 Stufen der Buchhaltungs- und MWST-Pflicht für Unternehmen in der Schweiz
Hier die 4 Stufen als Übersicht und direkt mit Link, um zum entsprechenden Abschnitt zu springen:
- Stufe 1: Einzelunternehmen mit weniger als 100’000.- Umsatz pro Jahr: Einfache Buchhaltung + keine MWST-Abrechnung
- Stufe 2: Einzelunternehmen mit 100’000.- bis 500’000.- Umsatz pro Jahr: Einfache Buchhaltung + einfache MWST-Abrechnung
- Stufe 3: GmbH’s, AG’s und alle Unternehmen mit 500’000.- bis 5 Millionen CHF Umsatz pro Jahr: Doppelte Buchhaltung + einfache MWST-Abrechnung
- Stufe 4: Unternehmen mit über 5 Millionen CHF Umsatz pro Jahr: Doppelte Buchhaltung + effektive MWST-Abrechnung
Die Einteilung in die 4 Stufen der Buchhaltungspflicht ist lediglich von 2 Faktoren abhängig:
- Der Rechtsform (primär ob Einzelunternehmen oder GmbH / AG)
- Dem erzielten Umsatz pro Jahr
Es ist wichtig zu wissen, auf welcher Stufe Sie sich selbst befinden und welche Buchhaltungsvorgaben Sie einhalten müssen.
Und dementsprechend natürlich die für Ihre Situation beste und einfachste Buchhaltungslösung zu finden.
Stufe 1: Einzelunternehmen mit weniger als 100’000.- Umsatz pro Jahr: Einfache Buchhaltung + keine MWST-Abrechnung
Die allermeisten Selbständigen und häufig auch neugegründete Startups (sofern diese nicht als GmbH oder AG gegründet werden) fallen in diese Kategorie.
Wenn Sie diese 2 Bedingungen erfüllen, haben Sie 2 grosse Vorteile:
- Buchhaltungspflicht: Sie müssen lediglich eine vereinfachte Buchhaltung führen, die sogenannte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (auch einfach Milchbüechli- oder Milchbüchlein-Rechnung genannt). Das heisst, Sie müssen keine doppelte Buchhaltung führen.
- MWST-Pflicht: Sie müssen keine MWST-Abrechnung machen.
Diese Kombination macht es für Selbständige in der Praxis tatsächlich möglich, die Buchhaltung mit einer Milchbüechli-Rechnung zu 100% und mit sehr wenig Aufwand selbst zu führen (was bei einer doppelten Buchhaltung ohne entsprechende Ausbildung praktisch kaum möglich ist).
Übrigens: Diese Stufe gilt auch für andere Personengesellschaften (Kollektiv- und Kommanditgesellschaften). Diese Rechtsformen werden aber relativ selten verwendet, weswegen ich hier der Einfachheit halber nur von Einzelunternehmen spreche.
Stufe 2: Einzelunternehmen mit 100’000.- bis 500’000.- Umsatz pro Jahr: Einfache Buchhaltung + einfache MWST-Abrechnung
Wenn Sie ein Einzelunternehmen sind, aber die 100’000.- Umsatz pro Jahr überschreiten, ändert sich nichts an Ihrer Buchhaltungspflicht.
Das heisst, Sie können weiterhin eine vereinfachte Buchhaltung führen.
Was sich ändert, ist die MWST-Pflicht: Ab 100’000.- Umsatz pro Jahr müssen Sie die Mehrwertsteuer abrechnen.
Sie haben aber die Wahl, ob Sie eine einfache (mit Saldosteuersatz) oder effektive MWST-Abrechnung machen möchten.
Wichtig: Obwohl die Abrechnung mit der Saldosteuersatz-Methode weniger Aufwand verursacht, kann es sein, dass Sie mit der effektiven Abrechnung weniger Mehrwertsteuern bezahlen müssten.
Hier erfahren Sie mehr zur MWST-Pflicht und der Funktionsweise der verschiedenen Abrechnungsmethoden.
Sich bei unter 100’000.- Umsatz freiwillig der MWST-Abrechnung zu unterstellen ist zwar möglich, lohnt sich aber nur in wenigen Fällen, wenn sehr grosse Investitionen (z.B. in Maschinen) gemacht werden. Und in diesen Fällen wird sowieso meistens die GmbH oder AG als Rechtsform gewählt.
Da die MWST-Abrechnung einen grossen Einfluss auf die Buchhaltung hat (vor allem bezüglich Aufwand), ist es in den allermeisten Fällen für Selbständige die beste Wahl, auf die MWST-Abrechnung so lange wie möglich zu verzichten.
Stufe 3: GmbH’s, AG’s und alle Unternehmen mit 500’000.- bis 5 Millionen CHF Umsatz pro Jahr: Doppelte Buchhaltung + einfache MWST-Abrechnung
Als GmbH oder AG müssen Sie immer eine doppelte Buchhaltung führen.
Als Einzelunternehmen (und Personengesellschaften) erst dann, wenn Sie die 500’000.- Umsatz pro Jahr überschreiten (siehe OR Art. 957).
Bis zu 5 Millionen CHF Umsatz gilt bezüglich MWST-Pflicht weiterhin, dass Sie die Wahl zwischen der einfachen und effektiven MWST-Abrechnung haben.
Theoretisch gibt es noch einige seltenere Sonderfälle, die aber für das grundlegene Verständnis und die Einteilung in diese 4 Stufen nicht relevant sind.
So muss beispielsweise eine AG, die unter 100’000.- Umsatz macht, zwar eine doppelte Buchhaltung führen, kann aber auf zeitliche Abgrenzungen verzichten.
So oder so:
Wenn Sie die 500’000.- Umsatz pro Jahr überschreiten (und je nachdem natürlich auch bereits deutlich früher), lohnt es sich praktisch immer, die Buchhaltung an einen Treuhänder auszulagern (oder zumindest Teile der Buchhaltung, wie beispielsweise die MWST-Abrechnung und den Jahresabschluss).
Stufe 4: Unternehmen mit über 5 Millionen CHF Umsatz pro Jahr: Doppelte Buchhaltung + effektive MWST-Abrechnung
Der Vollständigkeitshalber (da niemand, der in diese Kategorie fällt, im Internet zur Buchhaltungspflicht für Selbständige oder Einzelunternehmen recherchiert):
Auf dieser Stufe ist die doppelte Buchhaltung nicht mehr nur lästige Pflicht, sondern wird als Instrument für die Kontrolle der Finanzen aktiv genutzt.
Ganz grosse Unternehmen (z.B. ab einem Umsatz von 40 Millionen CHF oder mit über 250 Mitarbeitern) sowie an der Börse kotierte Unternehmen unterliegen der ordentlichen Revision und damit zusätzlichen Anforderungen an die Buchhaltung, Jahresabschluss und Geschäftsberichte.
Für die MWST-Abrechnung ist auf dieser Stufe nur noch die effektive MWST-Abrechnung erlaubt.
Die Buchhaltungen für diese Unternehmen sind aber sowieso ausschliesslich von ausgebildeten Buchhaltern und Treuhändern zu bewältigen.
Was das für die Führung Ihrer Buchhaltung bedeutet
Eine Buchhaltungslösung, die für KMU (sprich Stufe 3 und 4: Kleine und Mittlere Unternehmen ab einer halben Million Umsatz pro Jahr) eingesetzt werden kann, ist für Selbständige und Einzelunternehmen nicht unbedingt die optimale Lösung.
Als Selbständiger eine doppelte Buchhaltung zu 100% selbst korrekt zu führen, ist praktisch nicht möglich (sofern Sie natürlich nicht zufällig selbst Buchhalter waren).
Sollten Sie sich also in Stufe 1 oder 2 wiedererkennen und möchten Ihre Buchhaltung selber führen, sollten Sie sich einmal den Einsatz der Milchbüechli-Rechnung genauer anschauen.
Oder schauen Sie sich direkt unseren ausführlichen Praxis Guide an, der anhand eines Beispiels die praktische Umsetzung der Milchbüechli-Buchhaltung von A bis Z durchspielt.